Hermann Stenner, Hymnen an das Leben
28.02. – 2.07.23

S o n d e r a u s s t e l l u n g

In seiner nur fünfjährigen Schaffenszeit durchlief er im Eiltempo, vom Impressionismus über den Expressionismus bis zur Abstraktion, die maßgeblichen Kunstrichtungen seiner Zeit, die er sich mit der Tiefgründigkeit seines künstlerischen Genies aneignete. Willi Baumeister, der gemeinsam mit Stenner und den späteren Bauhausmeistern Oskar Schlemmer und Johannes Itten die Komponierklasse Adolf Hölzels an der Stuttgarter Akademie besuchte, war überzeugt davon, dass Stenner “einer der besten Maler Deutschlands geworden” wäre.

Die deutsche und die französische Avantgarde - der Freiheitsdrang der „Brücke“, die lodernden Farben der „Fauves“ und die spirituell aufgeladene Malerei des „Blauen Reiter“ - inspirierten den jungen Künstler, seine ganz eigene künstlerische Sprache zu entwickeln. Stenner war ein Meister darin, seine Bildgegenstände mit den Ausdruckswerten der Farbe psychologisch aufzuladen. Von seinem Lehrer Adolf Hölzel lernte er, die bildnerischen Mittel autonom, also unabhängig vom Bildgegenstand, einzusetzen und zu systematisieren -  die suggestive Kraft der Farbe war ihm angeboren. In seinem Lebensgefühl als moderner Künstler stand er dem damals gefeierten Belgischen Symbolisten Emile Verhaeren nahe, der in seinen Gedichten die Neuromantik und das Maschinenzeitalter miteinander zu vereinen suchte; Wassily Kandinskys 1911 erschienene Schrift “Über das Geistige in der Kunst” öffnete seinen Blick für die Grenzüberschreitung der Kunst hin zur Spiritualität. Beide spiegelten jene melancholischen und rauschhaften Schwingungen einer Epoche, die auch Stenner durchdrangen und ihm als modernem Künstler zu einer gesteigerten Wahrnehmungsfähigkeit verhalfen. Am Anfang des 20. Jahrhunderts war dieses vibrierende Weltempfinden überall zu spüren, im Ausdruckstanz einer Isadora Duncan und einer Loïe Fuller genauso wie in den modernen Lebensreformbewegungen, die zu alternativen Lebensentwürfen jenseits von Industrialisierung und Massengesellschaft führten.


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“Ich sehe mich blau mit dunklen Augen vor Dir stehen”, schrieb der lebensbejahende und nach Entgrenzung strebende Stenner an seine Freundin, die Stuttgarter Solo-Tänzerin Clara Bischoff. Sein jäher Tod setzte einem der größten Malertalente der frühen Moderne ein tragisches Ende.

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