"Euer treuer Sohn Hermann" - eine szenische Lesung des Ensembles "Lyrik im Turm"

Am Freitag, 5. Mai, um 19.30 Uhr findet im Rahmen der Sonderausstellung „Hermann Stenner – Hymnen an das Leben“ im Städtischen Museum Engen die szenische Lesung „Euer getreuer Sohn Hermann“ mit dem Ensemble „Lyrik im Turm“ statt. Der Eintritt kostet 10 Euro. Die Eintrittskarten können ab sofort an der Kasse des Museums erworben werden.


Am 24. April des Jahres 1909 setzt sich der 18-jährige Hermann in seiner Heimatstadt Bielefeld in den Zug nach München. Er ist fest entschlossen, Künstler zu werden. Die etwa 200 Briefe, die er in den nächsten fünf Jahren nach Hause schreiben wird, sind außergewöhnliche Zeitdokumente. Dr. Manfred Müller-Harter hat sie zu der unterhaltsamen, szenischen Lesung zusammengestellt, bei der man viel über die Ambitionen und die Lebensumstände eines angehenden Künstlers des frühen 20. Jahrhundert erfahren kann. So schreibt Stenner voller Stolz aus München, sein Lehrer Hans von Hayek habe ihn einen „Impressionisten“ genannt. In Stuttgart wird sich dieser Einfluss unter Adolf Hölzel rasch ändern – er wird zum „glühenden Expressionisten“. Aber nicht nur mit Blick auf die Entwicklung eines jungen Talentes sind diese Briefe eine Fundgrube, gerade die Schilderungen des Alltagslebens sind aufschlussreich. Wer hätte etwa gedacht, dass es 1909 kein Problem war, seine Dreckwäsche in einem Weidenkorb einmal im Monat nach Hause zu schicken- und sie postwendend mit einem „Fresspaket“ angereichert wieder nach München zurück zu bekommen. Hermann Stenner ist ein genauer Beobachter – manchmal jugendlich naiv, manchmal humorvoll, manchmal mit der Stimme des Zeitgeistes, manchmal auch zeitkritisch. Seiner Familie beschreibt er ausführlich, wie er ein Erdbeben in Stuttgart erlebt, oder was es im Varieté zu sehen gab. Wir erfahren auch, was es heißt, als Kunststudent mit 135 Mark im Monat auskommen zu müssen. In seinen Briefen aus dem Krieg beschreibt er auf erschütternde Weise die Sinnlosigkeit des Mordens und die grenzenlose Ernüchterung der Soldaten. Wer könnte hier die Realität des gegenwärtigen Krieges in Europa ausblenden?


„Lyrik im Turm“ - d.h. im „Schützenturm“ - hat in den letzten Jahren regelmäßig szenische Lesungen veranstaltet, etwa das „Wintermärchen“ von Heinrich Heine inszeniert oder Geschichten aus Chaucers „Canterbury Tales“, oder „russische Lyrik“ vorgetragen. „Lyrik im Turm“, das sind: Kirsten Schaefer (Clara Bischoff), Barbara Kempe (Elise Stenner), John Loram (Hugo Stenner) und Dr. Manfred Müller-Harter (Hermann Stenner). Siegfried Pfitzenmaier am Flügel trägt mit eigenen Improvisationen, Volksweisen und Nationalliedern zur musikalischen Erfahrbarkeit von Stenners Briefen und seiner Zeit bei.


Bild: Das Ensemble von „Lyrik im Turm“, v.l.n.r.: Siegfried Pfitzenmaier, Manfred Müller-Harter, Barbara Kempe, Kirsten Schaefer, John Loram

Foto: Lyrik im Turm

Zur Ausstellung

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28.02. – 2.07.23

Hermann Stenner, Hymnen an das Leben

S o n d e r a u s s t e l l u n g

Hermann Stenner (1891-1914) ist sicherlich eines der ungewöhnlichsten Künstlerphänomene des 20. Jahrhunderts. Obwohl er im Alter von nur 23 Jahren im Ersten Weltkrieg fiel, hinterließ er einen geradezu unerschöpflichen Potenzialraum an bildnerischen Experimenten.